Anjas frischgrüne Revue, Ausgabe 3

STAUBSAUGERROBOTER SIND AUCH NUR MENSCHEN

 

Dienstag, 15. Oktober: Lesung „Der Himmel ist blau. Kann sein: Frauen im Widerstand. Österreich 1938-1945 (Edition Spuren)“

Im Pongratzhaus in Eisenstadt geht es an diesem Abend um Berichte von Frauen, die im Widerstand aktiv waren während des Zweiten Weltkriegs. Es ist extrem berührend, wie diese mutigen Frauen Menschenleben gerettet und auch selbst überlebt haben dabei, in dieser heftigen Zeit. Es sind Berichte von Folter, von Frauen in Kärnten – vor allem slowenische Frauen –, die Partisanen unterstützt haben, die abgeholt und deren Kinder alleine zurückgelassen wurden am Bergbauernhof. Immer wieder sind diese Frauen auch erpresst worden mit ihren Kindern. Wie groß nicht ihr Kampfgeist war. Andere Menschen zu verraten, unter Folter, war für diese Frauen keine Option. Und so ist auch der Titel des Buches entstanden: „Der Himmel ist blau. Kann sein.“ – als Reaktion auf die Frage eines verhörenden SS-Beamten.

Nach der Lesung meint eine ältere Dame im Publikum, dass wir uns in Zeiten wie diesen auch wieder Gedanken machen müssen – wie können wir kommunizieren, wenn es schlimmer wird? Es bewegt mich, dass jemand der so knapp nach dem Zweiten Weltkrieg geboren ist, sich jetzt wieder Gedanken macht. Dass mit dem Rechtsruck der Faschismus wieder vor der Tür steht.

 

Freitag, 18. Oktober: Österreichischer KlimaDialog, Kultur Kongress Zentrum Eisenstadt

Alina Brad (Universität Wien, Institut für Politikwissenschaft) hält eine großartige Keynote, die ein gutes Bild davon zeichnet, was es braucht, damit Klimaschutzkommunikation gelingen kann und Klimaschutzmaßnahmen von der Bevölkerung auch angenommen werden. Sehr irritierend finde ich aber, dass Landeshauptmann Doskozil in der Diskussionsrunde indirekt einfließen lässt, dass Alina Brads Ausführungen Humbug seien, um im nächsten Atemzug mehr Respekt (für sich und) anderen Menschen gegenüber einzufordern, irgendwie passt das nicht zusammen, weshalb es im Raum auch für Unverständnis sorgt. Mir taugt, dass so viele Leute da sind, viele Initiativen. Mehr als die Hälfte der Anwesenden im Saal zeigen bei Leonore Gewesslers Frage, wer denn ein KlimaTicket besitze, auf. Das zeigt, wie viele Menschen sich für den Klimaschutz engagieren und Klimaschutz auch tatsächlich vorleben.  

Weiter geht’s, gemeinsam mit Leonore besuchen wir Betriebe aus der Region – pro.earth in Wulkaprodersdorf und PET to PET in Müllendorf.

pro.earth, ein innovatives Online-Magazin, widmet sich der Wissensvermittlung im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Geschäftsführer Wolfgang Schwayda und sein Team machen es sich zur Aufgabe, einen Teil der Einnahmen aus entstandenen Partnerschaften in CO2-sparende Projekte zu investieren. Diese reichen von der Aufforstung eines Waldes über Magerwiesen und der Ansiedlung heimischer Flusskrebse bis hin zu Bildungsinitiativen. Besonders im Fokus steht das Projekt „KlimafitWald“, das zeigt, welchen globalen Beitrag lokale Projekte leisten können.

Im Anschluss besuchen wir das Recyclingunternehmen PET to PET in Müllendorf, wo uns Geschäftsführer Christian Strasser Einblicke in die Kreislaufwirtschaft des PET-Flaschenrecyclings gibt. Das von verschiedenen Getränkeherstellern gegründete Unternehmen recycelt jährlich rund 1,3 Milliarden PET-Flaschen, was etwa 34.000 Tonnen Material entspricht. Dieses Recycling spart pro Jahr beeindruckende 28.000 Tonnen CO₂ ein.

✮*•̩̩͙✧•̩̩͙*˚✧*˚ floating through reality ˚*✧˚*•̩̩͙✧•̩̩͙*˚✮

Den Freitag beschließe ich in der Landesgalerie, bei einer nicht gleich auf den ersten Blick erkennbaren feministischen Ausstellung zwei junger Frauen aus Eisenstadt, Hannah & Lea Neckel, die sich bereits einen Namen als Künstlerinnen gemacht haben. Ich habe großen Spaß mit den Staubsaugerrobotern, auf denen Hello Kitty durch die Gegend fährt. Ich habe ja selbst auch mal einen Staubsaugerroboter benutzt, der ärgerlicherweise immer irgendwo hängen geblieben ist, und wo man dann langsam beginnt, die Dinge zu vermenschlichen, vor allem im Schimpfen. Ich finde es lustig, wie sie das aufgezogen haben, das lädt zum Mitmachen ein. Es ist viel junges Publikum aus Wien da, viele genderfluide Menschen. Es würde uns bestimmt gut tun, öfter Veranstaltungen im Burgenland zu haben, die ähnlich open minded und zeitgenössisch sind.

 

Samstag, 19. Oktober: Reformationsempfang anlässlich 100 Jahre Superintendentur im Burgenland

Ich darf ein paar Eröffnungsworte sprechen und sage, was mir persönlich total wichtig ist: dass Kirchen früher ein Ort waren, wo einander alle sozialen Schichten, unabhängig von Beruf, Herkunft und Bildungsstand, begegnet sind, ein Ort, wo man zu einer gemeinsamen Wertebasis gefunden hat. Ich glaube, dass vor allem in Zeiten wie diesen, mit multiplen Krisen, mit Entfremdung, Einsamkeit und gesellschaftlicher Spaltung, die Kirchen ein wichtiger Ort sind, um wieder zueinander zu finden. Dass Rituale – die Taufe nach der Geburt, die Konfirmation als Übertritt von der Kindheit ins Erwachsenenalter (in der evangelischen Kirche) und am Ende auch das Verabschieden bei Begräbnissen – für unsere Gesellschaft sehr wichtig sind. Und ich finde es schön, dass an diesem Tag auch so viele junge Menschen da sind, die sich engagieren.

Meinen persönlichen Fangirl-Moment erlebe ich bei einem Selfie mit Renata Schmidtkunz. Ich mag ihre Sendung auf Ö1 total gern, „Im Gespräch“,  besonders ihre Stimme, ihre Art zu fragen und ihr unfassbares geschichtliches, theologisches und zeitgenössisch-politisches Wissen begeistern mich. Und ein klitzekleines bisschen war ich auch überrascht, wie klein Renata Schmidtkunz ist, im Radio sieht man das ja nicht. Aber was für eine Ausstrahlung! Renata hat die Podiumsdiskussion gewandt moderiert und mich wirklich beeindruckt.