Tag 27/28: Köstliche Abkühlung

14./15. August 2024, Tag 27 + 28

Anjas frischgrüne Sommertour

 

Im Südburgenland wird meine frischgrüne Sommertour von der Hitzewelle erfasst. Bei jeder Gelegenheit suchen wir den Schatten auf und – als Routiniers, die wir mittlerweile sind – auch die Wahl unserer Nachspeisen ist ganz auf Abkühlung ausgelegt. Meinen Geheimtipp verrate ich euch gleich bei Station 1!

 

Station 1: Restaurant Scampi (St. Michael)

Im Restaurant Scampi in St. Michael stärken wir uns nach meinem ORF Burgenland Sommergespräch. Ich war vor Jahren schon einmal hier und meine Erinnerung hat mich nicht getäuscht: Ein wirklich gemütliches und gutes Restaurant. Im lauschigen Gastgarten sitzen wir im Schatten eines Baumes und ich gönne mir einen Backhendlsalat, während Leon das vegetarische Menü bestellt, ohne zu wissen, woraus es besteht. Wie sich herausstellt, handelt es sich um einen schmackhaften Kartoffelauflauf. Mir ist noch nach einer Nachspeise und nach kurzem Überlegen weiß ich, was ich will: Ich steh total auf einen Affogato, genau das richtige für die quasi äquatorial-burgenländische Hitze. Alle bestellen wir einen Affogato, alle genießen wir den Kaffee mit Vanilleeis in vollen Zügen!

 

Station 2: Burg Güssing

Auf Burg Güssing empfängt uns erneut Burgherr Gilbert Lang. Schon fürs Sommergespräch hat er uns dankenswerterweise am Parkplatz abgeholt und uns den überaus steilen Anstieg erspart (Der Lift war noch nicht in Betrieb). Lange Zeit hat er sich gegen den Titel Burgherr verwehrt, bei Führungen haben vor allem Kinder aber immer wissen wollen, wer denn nun Burgherr sei. Und so ist er halt irgendwann dazu übergegangen, sich als ein solcher zu bezeichnen.

Die Führung startet in der Burgkapelle Maria Schnee, die sich unterhalb des Ahnensaales befindet. Der Name Maria Schnee geht auf eine Überlieferung zurück, derzufolge die Gottesmutter in der Nacht auf den 5. August 358 dem römischen Patrizier Johannes und seiner Frau erschien und ihnen versprach, dass ihr Wunsch nach einem Sohn in Erfüllung gehe, wenn ihr zu Ehren eine Kirche an der Stelle errichtet werde, wo am nächsten Morgen Schnee liege. Das Ehepaar begab sich daraufhin zu Papst Liberius, der denselben Traum gehabt hatte. Am Morgen des 5. August lag dann auf der höchsten Erhebung des Esquilinhügels mitten im Sommer tatsächlich Schnee. Eine schöne Geschichte, wie uns Gilbert Lang heute noch einige davon erzählen wird. Zum Beispiel von der Schatztruhe, die es in der Burgausstellung zu sehen gibt. Darin gibt es Münzen und Geldscheine, die Besucher hinterlassen haben, zu sehen, und eine metallene Hundefigur, die früher den Schatztruhen beigefügt wurde. War das Vermögen derart geschrumpft, dass die Hundefigur inmitten der Münzen zum Vorschein kam, war man sprichwörtlich (und damals noch tatsächlich) „auf den Hund gekommen“.

Gilbert Lang ist als Persönlichkeit stark mit Güssing und der Region verbunden. Er ist ein Tausendsassa, obwohl eigentlich schon in Pension. Er erzählt, wie er in seinem „Blaumann“ in den unterirdischen Gewölben der Burg herumgekraxelt ist und dort auf die ältesten Steinreste der Burg Güssing gestoßen ist. Wie Freunde und Bekannte gemeint haben, er sei ja verrückt, sich so einer Gefahr auszuliefern. Aber es hat sich ausgezahlt, wie er freudestrahlend berichtet. Zusätzlich zu seiner Position als Burgherr war der dreifache Familienvater auch Standesbeamter und Tourismusobmann der Gemeinde. Die Liste ließe sich vermutlich noch weiter fortsetzen …

Von der Burgmauer aus haben wir einen gute Ausblick auf die Güssinger Teiche, die größte zusammenhängende Wasserfläche des Burgenlandes nach dem Neusiedler See. Die Teiche dienen der Fischzucht und sind durch Dämme voneinander getrennt. Sie haben eine Fläche von 60 ha und werden vom Zickenbach gespeist, der Abfluss erfolgt in die Strem. Gezüchtet werden vor allem Karpfen. Die Teiche sind auch ein bedeutender Brut- und Rastplatz für zahlreiche Vogelarten wie den Haubentaucher, die Zwergrohrdommel und die Wasserralle. Die ständig wachsende Zahl an Kormoranen stellt jedoch ein wirtschaftliches Problem dar.

Gilbert Lang erzählt auch noch vom Besuch Arnold Schwarzeneggers. Kurzfristig war er verständigt worden, den Star durch die Burg zu führen. Angesichts der überwältigenden Anzahl an Journalisten hat er kurzerhand einen Korridor errichten lassen, um den Transport reibungslos zu gewährleisten. „Ein wirklich lieber Mensch“, erinnert sich Gilbert Lang an seine Begegnung mit Arnold Schwarzenegger.

 

Station 3: Paradiesroute Südbürgenland (Inzenhof – Bildein – Inzenhof)

Hitzebedingt haben uns die interessierten Mitradler:innen leider abgesagt, gemeinsam mit Leon radle ich von Inzenhof aus per E-Bike bis nach Heiligenbrunn. Unser Vermieter reagiert verwundert, als ich vorher noch nach dem Radweg frage. Hier fährt man auf der Straße, meint er. Er weist uns scherzhaft darauf hin, dass der Mobilfunkbetreiber A1 so etwas wie die örtliche Mafia sei und man über ein anderes Netz keinen Empfang habe. Zum Glück ist der Weg sehr einfach, einmal den Hügel rauf, dann immer der Nase nach – denn ohne Netz kein Navi. Schade, dass Klubdirektor Gerhard nicht dabei ist. Was er wohl in so einer Situation gemacht hätte?

Eigentlich wollen wir ja bis nach Bildein radeln, aber die Hitze macht uns einen Strich durch die Rechnung. Am Zeinerberg bei Heiligenbrunn sehen wir uns noch ein altes Holzlehmhaus an und bewundern das Strohdach. Leider war der Anbau schon zusammengefallen und am Kompostieren. Wunderbar, dass so ein Haus irgendwann wieder zu unbedenklicher Erde zerfällt. Es wird einem bewusst, wie nachhaltig früher gebaut wurde und wie wenig wir das heutzutage noch tun.

Auf dem Rückweg hänge ich Leon kurzzeitig ab, sein E-Bike will einfach nicht starten, aber beim Eselstall treffen wir uns wieder. Tatsächlich begegnen uns insgesamt zur zwei Autos auf der Strecke, wirklich sehr angenehm!

 

Station 4: Freilichtmuseum Gerersdorf

In Gerersdorf führt uns das Navi ins Ortszentrum und wir suchen vergeblich nach dem Freilichtmuseum. Ich übernehme kurzerhand die Navigation und schließlich kommen wir doch noch in der kleinen Siedlung mit authentischen Holz- und Lehmhütten an. Vor Ort begrüßen uns Gründer Gerhard Kisser und Gattin Evelyn mit Michi Kalch, die uns gemeinsam mit Evelyn durch das Freilichtmuseum führt. Gerhard ist ein sonniges Gemüt, aber nicht mehr so gut zu Fuß, er wartet währenddessen in der hauseigenen Schenke auf uns. Bevor wir losgehen, erzählt er, wie zur Eröffnung im 76er Jahr der Kery eine Rede gehalten und gesagt hat: „Solange nicht jeder Haushalt im Burgenland fließendes Wasser und Strom hat, sind mir die alten Häuser wurscht.“ Gerhard hat sich damals gedacht, dass ihm die Häuser nicht wurscht sind und so hat er weiter gesammelt und das Freilichtmuseum erweitert. Alle Häuser hat der Gerhard selbst erworben. Alle Achtung! Wie schön, dass Altes durch das großartige Engagement von Menschen wie Gerhard erhalten bleibt.

Ich frage Gerhard noch, was man in den 70er Jahren, als er begann, zu ihm gesagt hat, hier im Südburgenland – er als Weana kommt daher und kauft die alten Häuser zusammen und baut sie mühsam ab und wieder auf –, ob er da nicht ab und zu mal gehört hat „Wos wüs’dn mit dem Graffl?“

Und Gerhard antwortet: Ja, genau so war die Formulierung.

Michi und Evelyn spazieren mit uns durch das Ensemble und erzählen von historischen Details. Fasziniert sind wir zum Beispiel vom hölzernen Fallschloss, das durch ein Loch in der Außenwand wieder aufgesperrt werden konnte. Wir staunen, wie kühl es in den Häusern noch immer ist. Auch Handwerkskurse werden im Freilichtmuseum angeboten, bei unserem Besuch ist gerade ein Instrumentenbau im Gange.

Beim Anblick der alten Gebäude und Handwerksbetriebe denke ich, wenn jetzt alles zusammenbrechen würde – Internet, Strom, Lieferketten –, ob wir heutzutage noch überleben und uns diese alten Fertigkeiten wieder aneigenen könnten – wie man aus dem, was die Natur uns bietet, etwas Nützliches machen kann. Und ich muss gestehen: Da habe ich so meine Zweifel …

 

Station 4: Gurkenprinz (Stegersbach)

Als wir die Produktionsstätte der Südobst GmbH betreten, begrüßt uns die Mutter von Geschäftsführer Jürgen Hagenauer freundlich. Ihr Sohn sei gerade noch in einem Telefonat. In dem Moment stürzt uns Jürgen Hagenauer mit Handy am Ohr entgegen und entschuldigt sich: Er brauche noch 5 min, die Ernte sei in vollem Gange und er habe gerade eine englischsprachige Kollegin am Apparat. Kein Problem, wir trinken derweil ein Glas Apfelsaft und unterhalten uns mit Frau Hagenauer. Kurz darauf stößt er zu uns und erzählt vom Betrieb, den Herausforderungen durch Preiserhöhungen im Lebensmittelhandel, aber auch seitens der Schraubglasproduzenten, und von seinem Wunschprojekt, einem „Gurkenheimmuseum“ in Müllendorf, das die Logistik und Produktion erleichtern soll.

Ich habe Jürgen schon vor Jahren kennengelernt, da waren wir gemeinsam mit Herrn Staud am Gurkerlfeld (Staud’s und Gurkenprinz hängen zusammen). Bei unserem Besuch heute zeigt sich, wie achtsam und fein hier gearbeitet wird. Wir bekommen Marmelade, wo man die Früchte bis zum Ort und zum Bauern zurückverfolgen kann, der sie gepflückt hat. Herrn Staud, den Marmeladenkönig, habe ich als großen Humanisten kennengelernt, dem Vielfalt unter seinen Mitarbeiter*innen immer sehr wichtig war und der auch an Sprachen sehr interessiert war. So lernte er etwa, um sich mit seinen Mitarbeiter*innen aus dem damaligen Jugoslawien verständigen zu können, Serbisch (ob er nicht sogar Arabisch auch gelernt hat?) Er war eher ein Tüftler als ein harter Wirtschafter, hat seinerzeit jedes Glas zehnmal umgedreht und verändert, wenn ihm am Design etwas aufgefallen ist.

Zum Abschied gibt uns Herr Hagenauer noch ein paar Produkte zum Probieren mit, zum Glück sind auch Essiggurken dabei, die hab ich nämlich besonders gern!

 

Nächste Woche geht’s noch tiefer in den Süden. Ich freue mich auf den Bezirk Jennersdorf und einige spannende Stationen und bin schon neugierig, wie der Affogato im südlichsten Teil unseres Landes so schmeckt!