19.-21. Juli 2024
Anjas frischgrüne Sommertour, Tag 14-16
Das Ende von Woche 3 naht und ich bin gespannt, was noch alles auf mich wartet. Die Plaudertasche setzt langsam ein kleines Bäuchlein an, was mich natürlich ungemein freut, zeigt es doch, wieviel Ideen und Input seitens der Burgenländer*innen an mich herangetragen werden.
Tag 14: Neudörfler Büromöbel
Geschäftsführerin Heidi Adelwöhrer erzählt vom ersten Auftrag des Betriebes: Nach dem Krieg sind das 3.000 Scheibtruhen gewesen, fürs zertrümmerte Wr. Neustadt. Zu den Büromöbeln ist man danach gekommen, als die Burgenländische Landesregierung Schreibtische in Auftrag gegeben hat. Ein interessantes Thema im Gespräch ist der Einfluss von Innenarchitektur auf das psychologische Wohlbefinden und die Arbeitsleistung.
Derzeit beschäftigt man in Neudörfl etwa 20 Lehrlinge, darunter auch Mädchen. Zu den wichtigsten Geschäftsfeldern zählen die Bereiche Büro und Bildung. Wir unterhalten uns über die Unvorteilhaftigkeit bestehender Konferenzzimmer an Schulen, wo das Lehrpersonal mit zu wenig Platz und kaum persönlichem Stauraum zu kämpfen hat. Gerade für Lehrer*innen wäre es jedoch besonders wichtig, einen Wohlfühlarbeitsplatz zu haben. Genauso wichtig wie die Lernräume der Kinder, mit spannenden Möbeln von neudoerfler, wo man miteinander sitzen, stehen, liegen und sich bewegen kann. Alles ist bunt und es macht garantiert Spaß, auf solchen Möbeln zu lernen!
Momentan wird der alte Schauraum umgebaut zur modernen Kantine im Startup-Look, um einerseits den Angestellten mehr Komfort zu bieten und andererseits die dafür verwendeten Möbel potentiellen Kund*innen zu präsentieren. Tischlereitechniker Dominik führt uns anschließend noch durch die Hallen und erklärt, wie Holz verarbeitet, furniert und lackiert wird. Dominik plaudert ein bisschen aus dem Nähkästchen und gesteht augenzwinkernd, dass er seinen Mitarbeiter*innen oft ein Eis kauft, um in den Sommermonaten in den Pausen für einen kühlen Kopf zu sorgen. Man merkt, dass auch hier der Spaß nicht zu kurz kommt!
Tag 15: Auf an Kaffee in Gols
In netter kleiner Runde sitzen wir im „Domizil Gols“ zusammen. Ich freue mich besonders, wenn sich auch die Wirtsleute etwas Zeit nehmen und zu uns an den Tisch setzen. Als dominantes Thema stellt sich schon bald das Krankenhaus Gols heraus, mitunter wird recht emotional darüber diskutiert. Ich freue mich schon wieder, als plötzlich der Satz „Ihr seids die Zukunft“ fällt, der zeigt, dass Hoffnung in uns Grüne und unsere Themen gesetzt wird. Es war ein angenehm offenes, wohlwollendes und informatives Gespräch mit Themen, wo man merkt, wie sehr sie die Leute beschäftigen.
Tag 16: Werkstatt Natur in Marz
Nina empfängt uns an einem sonnigen Sonntag in der Werkstatt Natur in Marz. Bevor sie uns bei Kaffee und Kuchen von ihren Erlebnissen und Erfahrungen als Naturpädagogin erzählt, wage ich mich sogleich ins Heckenlabyrinth, ein Magnet für Kinder (und Grüne Klubobfrauen), die sich nach einer langen Busfahrt zuerst austoben müssen, um wieder aufnahmefähig zu sein. Es sind herzerwärmende Geschichten, wie z. B. die vom verloren geglaubten Feuerstahl: In ihrem geräumigen Rucksack hat Nina ihre Outdoor-Tools in leeren Teedosen verstaut, wie z. B. den Feuerstahl, ein Bringer im Umgang mit Kindern, der Funken sprühen und Feuer entfachen kann. Er sei irgendwann verlorengegangen, unauffindbar fallen gelassen von achtlosen Kinderhänden, ausgerechnet Ninas Lieblingsstück. Jahre später zupft sie ein anderes Kind plötzlich am Ärmel und präsentiert ihr den verloren geglaubten Feuerstahl, den es im Gras gefunden habe, worauf Nina das Kind aus lauter Dankbarkeit und Freude innig umarmt. Die Lehrerin des Kindes mit Migrationshintergrund gesteht Nina später, dass das Kind vermutlich noch nie so viel spontane Zuneigung erfahren habe.
Nina führt uns durch den Baumkreis, mit spannenden Fakten für Kinder (und Erwachsene):
Was ist der Unterschied zwischen Laub- und Nadelbäumen?
Laubbäume bilden Früchte, Nadelbäume nicht.
Laubbäume verlieren Blätter, Nadelbäume die Nadeln (bis auf die Lärche) nicht.
Wir erfahren, dass 98% der österreichischen Wälder Nutzwälder sind, dass Birkenrinde sogar im nassen Zustand brennt (wichtig in Überlebenssituationen), und warum die Linde so gut riecht: Sie will gefallen, und zwar allem was summt und surrt. Wir hören, dass Weiden die Tendenz haben, im Alter auseinanderzubrechen und die Tanne ein Duftbaum ist, deren Nadeln, zwischen den Fingern gerieben, Zitrusaroma verströmen. Wir kosten Brennnesselsamen, untersuchen vermeintliches Totholz und staunen darüber, wie weit Wildschweine eigentlich springen können. Nina macht diese Führungen tatsächlich erst seit zwei Jahren, beschäftigt sich aber schon ihr ganzes Leben lang mit der Natur. Das merkt man.
Später stößt Roman Bunyai zu uns, der Initiator und Organisator der Werkstatt Natur. Man könnte auch sagen: das Mastermind. Wer mit Roman spricht, merkt schnell, wie sehr er für das Thema Natur brennt. Nichts, absolut gar nichts wird hier dem Zufall überlassen. Das beginnt schon bei der ersten Kontaktaufnahme. Roman hat darauf bestanden, dass diese immer noch persönlich (am Telefon) und nicht etwa durch automatische Online-Anmeldesysteme von statten gehe. Nur so könne er herausfinden, was den Besuchern wichtig sei. Roman ist situationselastisch und erzählt begeistert von einer Führung, die er für eine Gastro-Schule abgehalten und extra konzipiert habe. Ein ganzes Wildschwein habe er mitgebracht, das anschließend gemeinsam zerlegt und zubereitet wurde, genau wie die Fische aus dem hauseigenen Teich. Zusätzlich seien auch Kräuter und Früchte gesammelt worden. Ein Rundum-Paket also.
Der Erfolg gibt ihm recht. Auf dem Gelände eines ehemaligen Landesforstgartens befindet sich heute die größte Waldschule Österreichs, mit bis zu 12.000 Kindern jährlich (vor Corona). Roman besitzt die Gabe, Wissen spielerisch und spannend vermitteln zu können. Auch wir bekommen eine Kostprobe mit der Geschichte vom armen Frischling Ferdinand, der sich im Wald einen Glassplitter eintritt, mit tragischen Folgen.
Die Tierwelt kann aber auch überaus lustig sein:
Warum sind beim Fasan die Hennen eher unauffällig und die Hähne so prächtig?
Weil die Hennen beim Brüten unauffällig sein müssen und die Hähne in der Balz auffällig.
Und warum sind bei den Rebhühnern Hahn und Henne eher unauffällig?
Weil die ein Leben lang verheiratet bleiben und es dann irgendwann wurscht ist, wie man ausschaut.
Der vierfache Vater Roman erzählt, wie viel Zeit er in dieses Projekt investiert, zum Beispiel beim nächtlichen Überstellen der drei mobilen Einheiten, die im nördlichen, mittleren und südlichen Burgenland unterwegs sind, um den Kindern vor Ort die Natur näherzubringen. Oder beim Auswerten der Evaluierungsbögen, was nötig sei, um sich ständig zu verbessern und die Erwartungen der Kinder und Erwachsenen besser erfüllen zu können. Ich frage, was ihn antreibt und ihn nach so langer Zeit (2002: erstes Kind erlebt die „Werkstatt Natur“) immer noch brennen lässt für dieses Thema? Die Antwort ist kurz und ehrlich: „Ich komme aus einer sehr ländlichen Gegend, bin in der Natur aufgewachsen. Diese Natur – ohne Handys und ohne Internet – will ich den Kindern wieder näherbringen.“
Ich kann nur jedem empfehlen, der Werkstatt Natur einen Besuch abzustatten. Auch wenn es übertrieben klingt, aber schon nach diesem Besuch fühlt man sich der Natur wieder ein Stück näher und versteht, wie sehr wir von ihr abhängig sind.