Tag 12: Kaiserspritzer und Bauernschnapser

17. Juli 2024

Anjas frischgrüne Sommertour, Tag 12

 

Heute bin ich in meiner Heimatstadt Mattersburg unterwegs auf einen Kaffee und gespannt, wer mir aller über den Weg rennt. Danach geht’s weiter nach Pöttelsdorf, wo ich aus naheliegenden Gründen vermutlich auf Wein umsteigen werde. Ihr dürft gespannt sein. 🙂

 

Station 1: Monis Bistro (Mattersburg)

Den Startschuss bildet Monis Bistro in der Mattersburger City. Und wirklich, immer wieder begegnen mir Menschen mit bekannten Gesichtern, ohne dass ich sie zuordnen könnte. Kein Wunder, lebe ich doch seit Jahren schon in Eisenstadt und jünger weama a ned … (Anm.: Ich fühle mich nicht so alt, wie ich klinge!)

Wir sitzen direkt vorm Bistro und es herrscht gute Stimmung. Mit den Anwesenden unterhalte ich mich vor allem über das Thema Community Nursing und die Frage, wie man zu einem Heimplatz für Angehörige kommt, wofür es in den Bundesländern ja unterschiedliche Systeme gibt. Community Nursing ist eine tolle Sache, eigentlich könnten damit Ärzte und Pflegeheime erheblich entlastet werden, doch leider wird dieses Potential noch nicht richtig erkannt. Beim Community Nursing handelt es sich um ein EU-Projekt, wobei die Frist bald ausläuft und das Land die Finanzierung übernehmen müsste. Persönliche Erfahrungen zum Thema werden geteilt, z. B. mit 24h-Betreuerinnen aus Osteuropa, wo Sprachbarrieren oder mangelnde Ausbildung oftmals zu Komplikationen führen können.

 

Station 2: Vitakorn (Pöttelsdorf)

Ein hunderprozentiger Biotrieb, gibt es die Firma Vitakorn in Pöttelsdorf seit fast 25 Jahren. Seit 2013 auch mit eigener Ölmühle, die Soja- und Sonnenblumenkerne aufschließt und mit der auch Ölkuchen hergestellt werden, ein wichtiges Futtermittel für Nutztiere. Gegenwärtig hält man im Segment Biofuttermittel österreichweit bei einem Marktanteil von 10-20%. Der Betrieb beschäftigt 15 Mitarbeiter, doch Betriebsleiter Daniel Goldmann rechnet auch gerne die 500 Bauern dazu, die ohne Zwischenhändler direkt an die Futtermühle verkaufen. Wir erfahren, dass in Österreich gleich viel Soja wie in Deutschland produziert wird und das Burgenland mit fast 40% führend ist beim Bioanbau. Finanziell sei es in Österreich leichter, Biobauer zu sein, als konventioneller Bauer, zweitere hätten es schwer, dem Preisdruck auf EU-Ebene standzuhalten, bei Bio gebe es hier zumindest etwas Spielraum.

Schön finde ich auch die Geschichte vom mittlerweile 92jährigen Bauern, der immer noch auf seinem Traktor herumkraxelt und immer noch an Vitakorn liefert. Das zeugt von guten Geschäftsbeziehungen.

 

Station 3: Beim Bürgermeister von Pöttelsdorf

Mit Christian Kurz unterhalten wir uns über das neue Pöttelsdorfer Dorfzentrum. Lange Zeit hat es kein Wirtshaus im Dorf gegeben und da wollte der Bürgermeister nicht länger zuschauen. Er hat einen Dorfsaal bauen lassen, daran angeschlossen ein Dorfcafé, mit begehrtem Eis im Angebot, wie wir uns sagen lassen. Zu den Neuerungen zählt auch ein längst überfälliger Bankomat in Pöttelsdorf, für Bargeld müsse man nun nicht mehr in einen Nachbarort tingeln. Das Café läuft sehr gut, in Kürze soll ein Nahversorger als weiter Teil des Dorfzentrums folgen, das dann aus Dorfsaal, Dorfcafé und Dorfladen besteht.

 

Station 4: Domaine Pöttelsdorf

Martin Fischer, der Genius Universalis der Domaine Pöttelsdorf, begrüßt uns mit einem Gläschen Wein. Hier schließt sich ein kleiner Kreis: Martin hat seine ersten Erfahrungen im Weinbusiness bei Franz Weninger sen. gemacht, dessen Weingut wir erst vor kurzem besucht haben. Martin erzählt, dass der Umstieg auf Bio fast abgeschlossen sei. Der Verkauf im hauseigenen Laden läuft gut, die unmittelbare Nähe zur Bundesstraße sei hilfreich. Viermal jährlich finden auch Bälle im Barrique-Raum statt, dann verwandelt sich der Weinkeller für eine Nacht in einen Ballsaal. Dafür werden die Fässer kurzerhand an den Rand geschoben und übereinander gestapelt, was viel Arbeit sei. Als ich anmerke, dass der Boden im Saal eigentlich kein klassischer Tanzboden sei, rückt Martin mit der Sprache raus: Es werde ohnehin mehr getrunken als getanzt. 🙂

Zur Sprache kommt auch ein Problem mit dem herzförmigen Branding der Domaine. Vor allem Männer hätten damit ihre liebe Not, so quasi „Wie schaut denn das aus, wenn ich einem Haberer ein Flascherl mit Herz drauf schenk’!“ Nur die wenigsten kennen die wunderbare Geschichte hinter dem Herzen: Der Großvater von Chef Thomas Schandl hat damit seine Weingärten markiert.

Ich verliebe mich jedenfalls sofort in den Blütenmuskateller und nehme mir sicherheitshalber gleich zwei Flaschen davon mit, inkl. Weingläser im Herzbranding.

 

Station 4: Gasthaus Schwentenwein (Walbersdorf)

Nach all den Besichtigungen ist es Zeit für etwas Gemütlichkeit. Wo sonst ist sie zu finden, als im wunderbaren Gastgarten vom Gasthaus Schwentenwein. Hier ist alles noch so, wie es einmal war – im besten Sinne. Eine große Linde mit ausladenden Ästen spendet Schatten, das „Salettl“ mit seinen bunten Blumenkisten und die wunderbaren alten Wirtschaftsgebäude verströmen eine urige Atmosphäre. Zeit für Kaiserspritzer und einen Bauernschnapser. Wirt Pepi, ein lebendes Lexikon zur Regionalgeschichte, erzählt von den zahlreichen Mühlen entlang der Wulka, die es früher gegeben hat. Auch die heutige Vitakorn in Pöttelsdorf sei einmal eine solche gewesen. Und Dani, die Pächterin des Gasthauses, berichtet, dass ihre Familie eine der ersten türkischstämmigen Familien in Mattersburg gewesen sei. Auch das macht „den Schwentenwein“, wie das Gasthaus gerne genannt wird, so einzigartig: die Selbstverständlichkeit des kulturellen Neben- und Miteinanders, das sich in Person von Wirtin Dani so sympathisch exemplifiziert.

 

Es lässt mir keine Ruhe, zumindest ein Bummerl möchte ich irgendwem anhängen. Wieder einmal muss Praktikant Leon herhalten. Leider ist auch er ein zu versierter Dippler und mein Plan geht ordentlich in die Hose. Na gut, zahl ich halt eine Runde …