14. Juli 2024
Anjas frischgrüne Sommertour, Tag 10
Vor der obligatorischen Einschulung werden wir in Neckenmarkt mit Sekt-Orange prickelnd empfangen. Danach instruiert uns ein Draisinenarbeiter aus der Schweiz, uns nicht gegenseitig die Schranken auf die Rübe zu knallen. So eine Draisinentour ist eben doch kein Zuckerschlecken. Drei Draisinen ergeben zusammen die frischgrüne Flotte des heutigen Tages, die langsam unter der mittelburgenländischen Sonne ausläuft und sich Richtung Oberpullendorf in Bewegung setzt.
Rings um uns Felder (mittlerweile mehrheitlich Stoppelfelder), Wiesen und Obstbäume. Unsere Gäste strampeln sich wacker ab, ein älteres Ehepaar beweist, dass man auch im fortgeschrittenen Alter mehr als nur mithalten kann. Mit unserer Draisine bilden wir die Vorhut. Der erste Streckenabschnitt hängt sich ordentlich rein, eine leichte, aber stetige Steigung verlangt uns einiges ab, mehr als ein gemächliches Tempo ist nicht drin. Frage: Wie vertreiben sich Grüne die Zeit auf den Schienen? Richtig: „Wer am schnellsten Ragweed entdeckt, gewinnt eine Flasche Wein!“ Später wird Gerhard behaupten, dass er zwar welches entdeckt, aber leider zu langsam reagiert habe. Wer‘s glaubt, wird selig.
Zwischenstopp 1: Auf Kaffee und Kuchen
Unseren ersten Zwischenstopp legen wir in Lackenbach ein. Die Draisinen heben wir aus den Schienen, um den Nachfolgeverkehr nicht zu blockieren. In der Bahnhofsbäckerei tanken wir Kalorien und lassen uns von Bäumen berichten, die gepflanzt, aber nicht gegossen werden, woraufhin die Bäume absterben und wieder neue gepflanzt werden. Ein leider allzu bekanntes Problem, das wir für unsere Arbeit nach Eisenstadt mitnehmen.
Zwischenstopp 2: Der Natur auf der Spur
Zurück auf Schiene geht’s weiter zum malerischen Schloss Lackenbach, mit der Ausstellung „Der Natur auf der Spur“. Im Arboretum, einer Sammlung aus Gehölzen aus aller Welt, bestaunen wir im Schlosshof im wahrsten Sinne des Wortes großartige Bäume wie den kalifornischen Mammutbaum. Mit seinen 55 Jahren ist er für österreichische Verhältnisse bereits sehr groß, theoretisch könnte er an die 3000 Jahre alt werden und noch weiß Gott wie hoch wachsen. Wir können nicht anders, wir sind Grüne und müssen den Baum umarmen. Seine Rinde ist überaus weich und schützt ihn vor Waldbränden, bei hohen Temperaturen sondert sie Flüssigkeit ab. So wie wir, an diesem heißen Sommertag.
Wir naschen Kriacherl frisch von einem weiteren Baum und bestaunen eine originale Schwarznuss, die grün im Geäst hängt. Als wir am ehemaligen Kornspeicher vorbeikommen, beginnt die Luft spürbar zu vibrieren. Das alte Gemäuer ist von wildem Wein umwuchert, es summt aus unzähligen Flügelschlägen, die Bienen lieben den wilden Wein. Die anmutige Umgebung scheint Gerhard zu inspirieren, er erzählt mir eine fantastische Geschichte über Aale. Er behauptet, „alle Aale“ würden sich nur im Bermudadreieck fortpflanzen und von dort in alle Himmelsrichtungen zerstreuen. Egal, wohin es die Aale verschlägt, zur Fortpflanzung würden sie immer ins Bermudadreieck zurückkehren. Gut, denke ich, es ist recht heiß heute und wir sind schon lang in der Sonne … Trotzdem nehme ich mir vor, das mit den Aalen und ihrer Fortpflanzung mal genauer zu recherchieren.
Abschließend entdecken wir im Schlossmuseum eine Kuriosität: Ein Gewehr, das in beide Richtungen schießt. Ein Gewehr, das in beide Richtungen schießt? Ja genau, ein Gewehr das in beide Richtungen schießt.
Zwischenstopp 3: Ein verdientes Papperl
Endlich geht es bergab, der Fahrwind bläst uns ins Gesicht und wir genießen den Schatten der angrenzenden Bäume. Meine Ragweed-Trefferquote ist sehr gering, auch daran muss ich wohl arbeiten. Philip erzählt, dass er in seiner Fußballerkarriere bereits 111 gelbe Karten gesammelt hat. Dann schon lieber schlecht im Ragweed Erkennen, als gut beim gelbe Karten sammeln. In der Mittelstation Markt St. Martin haben wir die Hälfte der Strecke bewältigt und gönnen uns ein spätes Mittagessen. Ich bin neugierig: „Wer traut sich einen Schweinsbraten mit Knödel?“ Die Antwort: Niemand. Die meisten vertrauen auf leichten Salat, wer weiß, wie fordernd die Strecke im zweiten Abschnitt noch wird.
Doch der schwierige Teil liegt bereits hinter uns und es geht flott dahin. Leicht verschwitzt und überglücklich läuft unsere kleine Flotte in Oberpullendorf ein, wo schon der Draisinenarbeiter aus der Schweiz mit dem Kleinbus auf uns wartet. Eine Frage hat er auch noch parat: Wer ist das dümmste Volk in Österreich? Na? Na? Richtig, die Polterer. In der Meinung des Schweizer Draisinenarbeiters sind die Polterer das dümmste Volk in Österreich. Wieder was gelernt.
Auf der Rückfahrt läuft im Radio noch der Baywatch-Intro-Song und ein bisserl war das heute wirklich wie damals, wie ein Schulausflug, wie am Skikurs oder auf der Sportwoche. Ich glaube, heute nennt man das „Teambuilding“ …