2. Juli 2024
Anjas frischgrüne Sommertour, Tag 1
Es ist Dienstag und verglichen zu den vorherigen Tagen wandert das Thermometer etwas nach unten. Weder ist es zu heiß, noch zu kalt und ich stelle fest: optimale Verhältnisse für den Start meiner frischgrünen Sommertour! Voller Vorfreude schnappe ich mir die Plaudertasche, die mich in den kommenden Wochen begleiten wird, und schon kann’s losgehen. Gerhard gibt mir noch einen wertvollen Tipp mit auf den Weg: „Anja, vergiss nicht, dir Reservekleidung ins Auto zu hängen. Kann sein, dass du mal nass wirst oder zur Abkühlung in ein Planschbecken hüpfen willst.“ Ein Klubdirektor, der mitdenkt – was soll da noch schiefgehen!
Station 1: Dem Charme erliegen
Meine erste Station erwartet mich bereits in Eisenstadt. In der Förderwerkstatt „Rettet das Kind“ treffe ich Leiterin Sabine Haindl und gemeinsam plaudern wir angeregt über Themen wie Upcycling, Finanzierung, Arbeit, Team und Inklusion. „Rettet das Kind“ ist im Burgenland sowohl im Bereich der Behindertenbetreuung als auch der Jugendwohlfahrt tätig und leistet ganz nebenbei auch noch Einzelfallhilfen für Familien in Not. Das Team setzt sich aus Sozialpädagog*innen und Behindertenfachbetreuer*innen zusammen, sowie einem Fahrer, der die Klient*innen, sofern sie nicht selbständig anreisen, täglich abholt. Klient*innen widerfährt laut Frau Haindl in der Förderwerkstatt keine „Spezialbehandlung“, im Umgang werden sie unterschiedslos als eigenständige Personen und Persönlichkeiten erachtet. Die ebenfalls engagiert mitdiskutierenden Klient*innen lassen sogleich ihren Charme spielen und schätzen mich ganze acht Jahre jünger, als ich tatsächlich bin. Schau her, denke ich, schon haben sie mich um den Finger gewickelt!
Außerdem lerne ich, dass man nie „Basteln“ zur Arbeit von Menschen mit Behinderung sagen sollte, dass Humor immer hilft und man sich ruhig anstrengen darf. Und eine besonders tiefe Erkenntnis: Es ist nicht immer alles, wie es scheint!
Station 2: Bildung, die schmeckt
Mein nächster Halt ist die Weinakademie im wunderschönen Rust. Weinakademie, da macht das Lernen bestimmt Spaß, könnte ich mir vorstellen. Ich treffe Dr. Josef Schuler, den Direktor höchstpersönlich. Im prächtigen Gebäude der Akademie unterhalten wir uns über Geschichte und Struktur der Weinakademie, den Klimawandel und Naturwein. Als primäre Stellvertreterin der Weinbildung ist die Akademie wichtig für das Standing des Burgenlandes als Weinland. Für den hochqualitativen Weinbau könnte sich der Klimawandel als katastrophal herausstellen, z. B. der „Ruster Ausbruch“ sei davon bedroht. Naturweinen steht Dr. Schuller aufgeschlossen gegenüber. Die Herausforderung hierbei seien Maßstäbe und eine entsprechende Kontrolle.
Ich lerne, dass der „Ruster Ausbruch“ nur wenig Alkohol hat, wie man Weinakademiker*in wird und dass gute Schulung die Qualität hebt und neue Märkte schafft!
Station 3: Zeit für Praxis
Ich bleibe in Rust und finde es an der Zeit, nach all den Gesprächen über den Wein nun auch etwas Praxis zu sammeln. Und wo ließe sich das besser bewerkstelligen, als im Weingut Hammer. Bei einem gemütlichen Glaserl spreche ich mit Winzer Markus über das Renaturierungsgesetz, die Klimakrise und den Bio-Weinbau. Ich erfahre, dass die Lese mittlerweile schon im August und nicht mehr wie vor zwanzig Jahren im Oktober stattfindet; dass man nicht genug Blühstreifen haben kann, die das Ackerland von den Weingärten trennen und die Sicherheit beim Traktorfahren erhöhen; dass in Rust 30-35% Biowein produziert wird; dass Bio zwar mehr Arbeit, dafür aber gesunde Böden und Pflanzen bedeutet und dass andernorts eingesetzte Spritzmittel den Bio-Bauern vor allem bei Wind unangenehm werden können.
Die letzten Sonnenstrahlen des Tages glitzern im Weinglas und ich habe allen Grund, glücklich zu sein. Der erste Tag meiner frischgrünen Sommertour war ein mehr als gelungener Start und ich freue mich auf alles, was noch kommt!